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Vorwort / Dank
Kommentare zum Buch
Kapitel     1-2
Kapitel     3-4
Kapitel     5-6
Kapitel     7-8
Kapitel     9
Kapitel     10-11
Kapitel     12-13
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 Vorwort zur 1. Auflage

Die Evolutionstheorie durchdringt heute alle Teilgebiete der Biowissenschaften und vereint ihre Erkenntnisse in einem übergeordneten Theoriengebäude. Blendet man sie aus, zerfällt die Biologie in scheinbar zusammenhangslose Fragmente. Seit dem Erscheinen von Charles Darwins Buch Über die Entstehung der Arten durch natürliche Zuchtwahl (1859) wächst das Wissen über die Vorgänge und Mechanismen der Evolution kontinuierlich, und die zahlreichen Forschungsprogramme, die durch evolutionäre Fragestellungen angestoßen wurden, liefern beredtes Zeugnis einer florierenden Wissenschaftsdisziplin, die zurecht als Königsdisziplin der Biologie angesehen wird.

Doch nicht nur in der Biologie, auch in anderen Naturwissenschaften – ja, selbst in der Philosophie – erwies sich der evolutionäre Denkansatz als frischer Windstoß. Längst haben sich hinsichtlich des Erklärens auch mentaler Prozesse (Bewusstsein, Emotion, Erkennen) evolutionäre Brückendisziplinen zwischen die traditionellen Fronten eines grob geschnitzten „Klotz-Materialismus“ (Ernst Bloch) und des Spiritualismus geschoben. Einzeldisziplinen wie die Neurobiologie, Verhaltensgenetik und evolutionäre Erkenntnistheorie liefern viel versprechende Ansätze zum Verständnis der Entstehung mentaler Prozesse; auch der Ursprung emotionaler Neigungen erklärt sich heute vor dem Hintergrund stammesgeschichtlich gewachsener Engramme. Der Mensch wird mit all seinen Eigenschaften in die naturwissenschaftliche Kosmovision eines gesetzesartigen, sich selbst organisierenden Stufenbaus der Welt einbezogen, ohne dabei das Staunen über die Komplexität und Einzigartigkeit der menschlichen Natur zu eliminieren.

Ungeachtet seiner einzigartigen Erfolgsgeschichte brandet dem Konzept der Evolution bis heute aus religiös-weltanschaulichen Gründen ein erheblicher Widerstand entgegen. Kein Wunder, bestimmt doch die Frage nach der Herkunft des Menschen unser Weltbild wie kaum eine andere. Vor allem in den USA, aber auch in Europa verstärken sich die Angriffe der so genannten Kreationisten auf die Evolutionstheorie zusehends, oft mit akademischen Graden ausgezeichnet und seit einigen Jahren auch im Gewand der so genannten Theorie vom „Intelligenten Design“. Ihr gemeinsames Ziel ist es, die Unhaltbarkeit des Evolutionskonzepts nachzuweisen und dessen Denkvoraussetzungen als eine Art Dogma oder Ersatzreligion zu kennzeichnen. Dabei wird nichts unversucht gelassen, die Vorstellung, wonach eine planende Intelligenz die Entwicklung des Kosmos und des Lebens auf der Erde durch wiederholte Schöpfungsakte beeinflusste, als wissenschaftliche Alternative – als „Schluss auf die beste Erklärung“ – darzustellen.

Lohnt sich die Auseinandersetzung mit Evolutionsgegnern überhaupt? Wurden doch ihre Alternativen im Laufe der Wissenschaftsgeschichte schon zurückgewiesen, da sie aus erkenntnistheoretisch-methodischer Sicht nie hielten, was ihre Anhänger versprachen. Erweist man ihnen nicht sogar einen Dienst, wenn man sie immer wieder in die Schlagzeilen bringt? Tatsächlich lehnen es die meisten Wissenschaftler ab, über kreationistische Standpunkte zu diskutieren. Wer würde sich in vergleichbarer Situation die Mühe machen, ernsthaft gegen jemanden zu Felde zu ziehen, der die Relativitätstheorie widerlegt zu haben glaubt, Astrologie lehrt oder das geozentrische Weltbild vertritt? Die Sache wäre zu offensichtlich, als dass sich eine Auseinandersetzung lohnte. Doch erscheint dies bei der Evolutionskritik angezeigt, da der Kreationismus in Europa an Einfluss gewinnt und viele Gegner der Evolutionstheorie versuchen, bildungspolitischen Einfluss zu gewinnen sowie die Evolutionsbiologie in breitenwirksamen Publikationen, Filmen und Internetseiten zu diskreditieren.

Die kritische Begutachtung der Evolutionstheorie sei, so wird in diesen Medien oft gesagt, ein wichtiges wissenschaftliches Thema. Diese Aussage ist zweifelsohne richtig, und auch Evolutionsgegner haben mitunter berechtigte Anfragen an die Evolutionsbiologie. Doch sind ihre Argumentationsweisen in der Regel weit von der wissenschaftlichen Denkweise entfernt und liefern (wenn überhaupt) nur selten einen konstruktiven Beitrag zu wissenschaftlicher Forschung und zum Erkenntnisgewinn. Trotzdem fallen ihre Darstellungen bei einem nicht unerheblichen Teil der Bevölkerung auf fruchtbaren Boden. Selbst in akademischen Kreisen und politischen Gremien wird vereinzelt mit kreationistischen Positionen geliebäugelt und für deren Behandlung im Schulunterricht plädiert, was auch in den bildungsnahen Bevölkerungsschichten mitunter erheblich für Konfusion sorgt. Dass sich diese Situation über kurz oder lang negativ auf die europäische Bildungs- und Forschungslandschaft auswirken könnte, erscheint nahe liegend. Es ist zu befürchten, dass viele Schüler, Studenten und Nichtfachleute ein zentrales Stück Bildung verlieren werden: das Interesse an der innigen Verflechtung von Ursachen und Wirkungen in der Natur, wissenschaftsorientiertes Denken und nicht zuletzt das Verständnis für unsere kosmische Geschichte.

Aus all diesen Gründen ist eine verstärkte öffentliche Aufklärung notwendig. Die vorliegende Monographie soll dazu beitragen und Informationen zum Thema Kreationismus bereitstellen. Wissenschaftsorientiertes Denken soll gefördert und die Qualität evolutionskritischer Argumentation im Detail untersucht werden. Dazu werden zentrale Aussagen prominenter Evolutionsgegner (schwerpunktmäßig aus dem deutschen Sprachraum) analysiert, wobei kein Anspruch auf Vollständigkeit erhoben wird.

Die einzelnen Kapitel sind nach Themenkomplexen geordnet und lassen sich weitgehend unabhängig voneinander lesen. Einige davon stellen bei der Lektüre mitunter hohe Ansprüche an den Leser. Dieser Umstand ließ sich leider nicht umgehen, da einige evolutionskritische Medien selbst auf vergleichsweise hohem Niveau argumentieren, was es didaktisch erheblich erschwert, dort Fehler aufzudecken. Deshalb werden einfache Antworten der Komplexität des Themas oft nicht mehr gerecht. Damit aber auch der Nichtfachmann der Diskussion folgen kann, werden in einigen Kapiteln an erster Stelle elementare evolutionsbiologische Grundlagen vermittelt und die wichtigsten Fachbegriffe in einem ausgewiesenen Glossar (hoffentlich) allgemeinverständlich erklärt. Außerdem werden die Argumente für all diejenigen, die nicht jedem Detail der Auseinandersetzung folgen können oder wollen, am Ende jedes Kapitels noch einmal zusammengefasst.

Der erste Teil beinhaltet zunächst eine Einführung in die Geschichte des Kreationismus: Was bedeutet Kreationismus und wie hat er sich entwickelt? Im Anschluss daran wird der Anspruch der Evolutionsgegner auf Wissenschaftlichkeit ihrer Lehren untersucht. Sind Kreationismus und Intelligent Design wissenschaftliche Alternativen zur Evolutionstheorie? Der zweite Teil des Buchs widmet sich dann den Inhalten evolutionskritischer Argumentation. Da der Evolutionstheorie selbst über weite Bereiche die Plausibilität und Wissenschaftlichkeit abgesprochen wird, widmet sich auch das 3. Kapitel wissenschaftsdidaktischen Überlegungen: Besitzt die Evolutionstheorie unter methodisch-erkenntnistheoretischen Gesichtspunkten einen anderen Status als die „harten“ Naturwissenschaften? Was versteht man unter einer Erklärung, und wie ist es um die Erklärungsmacht der Evolutionstheorie bestellt? In Kapitel 4 werden die legendären Berechnungen zur Unwahrscheinlichkeit evolutionärer Prozesse einer logischen wie inhaltlichen Kritik unterzogen. Kapitel 5 handelt vom Fossilienbefund und den Einwänden gegen die Existenz evolutionärer Zwischenformen. Das 6. Kapitel gewährt Einblicke in die Erklärungsleistungen der modernen evolutionären Entwicklungsbiologie und erörtert im Detail, warum viele Argumente gegen „den Neodarwinismus“ heute hinfällig sind. In Kapitel 7 steht schließlich die chemische Evolution im Mittelpunkt, während Kapitel 8 und 9 das Argument der „nicht reduzierbaren Komplexität“ aus verschiedenen Blickwinkeln untersuchen.

Der dritte Teil des Buchs befasst sich mit der Struktur antievolutionistischer Argumentation, die hinsichtlich ihrer logischen Mängel und auf den Einsatz rhetorischer Stilmittel hin untersucht wird. Auch das „evolutionskritische Lehrbuch“ von Siegfried Scherer und Reinhard Junker (der nicht mit dem Evolutionshistoriker Thomas Junker verwechselt werden darf) wird unter diesem Aspekt begutachtet. Im vierten Teil wird abschließend das Verhältnis zwischen Religion und Wissenschaft thematisiert. Es wird betont, dass Naturalisten und Religiöse trotz unterschiedlicher philosophischer Positionen fruchtbar in den Naturwissenschaften kooperieren können, sofern keine religiösen Fundamentalismen ins Spiel kommen. Anschließend wird die Kritik am Kreationismus nochmals in allgemeiner Form zusammengefasst.

Dass diese Monographie im Jahr 2009 erscheint, ist kein Zufall, vielmehr handelt es sich in dreierlei Hinsicht um ein denkwürdiges Jahr: Wir feiern nicht nur das 150-jährige Jubiläum der Evolutionstheorie, sondern auch den 200. Geburtstag von Charles Darwin. Zudem legte im selben Jahr 1809 (50 Jahre vor dem Erscheinen der Origin of Species) der französische Botaniker und Zoologe Jean-Baptiste de Lamarck die erste echte Evolutionstheorie vor, die sich gegen den herrschenden Zeitgeist aber noch nicht behaupten konnte. Angesichts dieses dreifachen Jubiläums freue ich mich ganz besonders, gemeinsam mit meinem Mitstreitern und Co-Autoren diesen Band präsentieren zu dürfen. Möge das Buch für Schüler, Lehrer, Biowissenschaftler, aufgeklärte Christen, Journalisten und alle, die sich mit dem Kreationismus auseinandersetzen wollen oder müssen, hilfreich und von Interesse sein und sie dabei unterstützen, sich ihre eigene Meinung zu bilden.

Martin Neukamm, im Dezember 2008

 

Dank

Mein Dank gilt allen Autoren, ohne die das Buch in dieser Form nicht zustande gekommen wäre. Ganz besonders möchte ich Prof. Dr. Andreas Beyer danken, der das gesamte Buch Korrektur las und mich mit vielen hilfreichen Anmerkungen unterstützte. Dies gilt auch für Dr. Hansjörg Hemminger, der mich zudem in Verlagsangelegenheiten tatkräftig unterstützte. Mein Dank für hilfreiche Anmerkungen und konstruktive Kritik zu einzelnen Kapiteln gilt ferner Prof. Dr. Wilhelm Barthlott, Dr. h.c. Josef Bogner, Prof. Dr. Hartmut Follmann, Dr. Martin Mahner, Dr. Nick Matzke, Dr. Kai Müller, Dr. Jörn Petersen, Dr. Sabine Schu, Christian Schröder, Dr. Johannes Sikorski, Prof. Dr. Wolfram Ullrich und Thomas Waschke. Ein intellektuelles Vergnügen der besonderen Art war es, mich mit Dr. Peter Kaiser auszutauschen und sein Kapitel über die chemische Evolution mitgestalten zu dürfen.

Für die Erlaubnis zur Verwendung einzelner Abbildungen ein herzliches Dankeschön an folgende Personen und Institutionen: Prof. Dr. Wilhelm Barthlott, Prof. Dr. David Blair, Prof. Dr. Sean Carroll, Dr. med. Uwe Gille, Prof. Dr. Arthur Hunt, Günther v. Kiedrowski, Matthias Kabel, Dr. Bruno Kremer, Dr. Nick Matzke, Prof. Dr. Kenneth Miller, Dr. Antónia Monteiro, Michael R. Müller, Barry Rice, Prof. Dr. Siegfried Scherer, Dr. Hilke Steinecke, Dr. John van Wyhe sowie die Naturkundemuseen Berlin und Stuttgart.

Für die finanzielle Zuwendung zur Förderung dieses Bandes danke ich meinen Mitautoren sowie dem evangelischen Oberkirchenrat Stuttgart. Besonders danke ich Frau Tina Grummel vom Verlag Vandenhoeck & Ruprecht für die großartige Hilfe bei der Vorbereitung und Umsetzung des Manuskripts.

Darwins religiöse Gegner und ihre Argumentation. V&R, Göttingen. (c) Martin Neukamm, 2009